Die Idee hinter den Pappmöbeln - Interview mit Prof. Frank Huster

14.04.2021 | Yee-Kee Chung

Frank Huster (geb. 1939) steckt hinter dem Design der Papercomb Möbel. Bereits in frühen Jahren entwarf er aus Papier verschiedene Bauprojekte bei denen nachhaltige Aspekte, wie eine lange Lebensdauer, zeitlose Gestaltung und wiederverwendbares Material eine zentrale Rolle spielten. In der Vergangenheit entstanden beispielsweise Raumzellen für die Olympischen Spiele in München, Klettergerüste für Kinder und Wohnobjekte aus Papier. Wir haben mit ihm über die Idee und die Vorteile der Pappmöbel gesprochen:

Was hat Sie zum Design der Wabenkernmöbel inspiriert?

Frank Huster: Es gab ein spezielles Ereignis, was uns zu dieser Wabenkernplatte inspiriert hat. Und zwar war es die Aufgabe, für das Museum für Kommunikation in Frankfurt eine Wanderausstellung zu gestalten. Diese Ausstellungsinhalte sollten in vier deutschen Städten gezeigt werden. Das bedeutete, dass das ganze Ausstellungsmaterial vier Mal aufgebaut, abgebaut und transportiert werden musste. Wenn man sich vorstellt, dass man das mit schweren Holzplatten oder Spanplatten machen muss, ist das natürlich ein riesen Aufwand. Deshalb haben wir damals nach einer leichten Platte gesucht, die den Aufbau, Abbau und den Transport einfacher machte.

Dabei sind wir auf diese Wabenkernplatten gestoßen, diese haben alle Aufbauten und Abbauten problemlos überstanden. Es gab keinerlei Materialverschleiß. Die Platten waren zum Schluss genauso neu, wie beim ersten Aufbau. Das war gleichzeitig der Moment, an dem wir darüber nachgedacht haben, daraus Möbel zu machen.

Welche Ansätze zur Nachhaltigkeit sind in die Entwicklung der Möbel mit eingeflossen?

Frank Huster: Es gibt drei hauptsächliche Wege, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Egal ob in der Architektur oder im Design.

Der erste Weg besteht darin, dass man Produkte mit einer sehr guten Qualität und einer langen Lebensdauer kreiert. Es ist egal, ob es eine Küchenmaschine oder ein Möbelstück ist, sobald dieses Produkt einmal lange hält, vielleicht sogar auch reparierbar ist, dann benutzt man es sehr lange und vermeidet natürlich Abfall. Das ist der erste Weg, der ein sehr Vernünftiger ist.
Wichtig ist dabei, dass die Produkte zeitlos gestaltet sind, dass sie also nicht modisch sind.
Denn Mode bringt immer eine bestimmte Periode mit sich, nach dessen Zeit Gegenstände entsorgt werden.

Der zweite Weg ist es, Produkte zu kreieren, die sich gut reparieren lassen, die also in ihre Bestandteile zerlegt werden können, sodass sich Bestandteile austauschen lassen, wie beispielsweise der Motor bei einer Küchenmaschine. Diese Materialtrennung wird leider immer seltener, aber das wäre auch ein Weg Nachhaltigkeit zu erreichen, indem man das Produkt sehr lange verwenden kann. Einfach, weil es reparierbar ist.

Designer von Papercomb
Designer von Papercomb - Frank Huster
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Wir kennen aus der jüngsten Literatur oder aus der Tagespresse diese riesigen Mengen an Elektroschrott, die ständig entsorgt werden, weil diese ganzen Dinge nicht lang genug halten und man sie lieber wegschmeißt und sich etwas Neues kauft.

Der dritte Weg ist der, dass man Produkte schafft, die komplett wieder in den Materialkreislauf eingefügt werden können. Es geht von dem Gedanken aus, dass man die Materialien, die in einem Produkt oder auch in einem Möbel verbaut sind, wiederverwenden kann.

Das funktioniert heutzutage meistens nur mit einem Verlust an Qualität. Dann spricht man von sogenanntem “Downcycling”. Also wenn ein Holzmöbel zum Beispiel anschließend geschreddert wird und die Bestandteile zu Spanplatten verarbeitet werden, dann ist das natürlich eine Art Wiederverwendung. Aber durch die Verwendung von Kleber und anderen Materialien ist die Qualität, Tragfähigkeit und so weiter natürlich nicht mehr die selbe.

Gerade bei Papieren gibt es diesen Kreislauf sehr häufig. Wir wissen, dass Papiere gesammelt und einer neuen Nutzung zugeführt werden. Es können dabei fast die gleichen Materialeigenschaften erreicht werden. Ähnlich ist es zum Beispiel auch bei Glas. Da kennt man heute geschlossene Stoffkreisläufe, die sehr gut funktionieren. Unsere Papiermöbel können komplett dem Materialkreislauf zugefügt werden.
Das war der dritte Weg, der unmittelbar zu dem Gedanken der Möbel aus Wabenplatten geführt hat.

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Was ist das Besondere an Wabenkernmöbeln im Vergleich zu herkömmlichen hochwertigen Möbeln, wie zum Beispiel Massivholzmöbeln?

Frank Huster: Es gibt natürlich Ähnlichkeiten. Beides besteht aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Wabenkernplatten bestehen aus Holzfasern und die Massivholzmöbel aus Holz. Das Besondere hieran ist, dass die Möbel aus Wabenkernplatten natürlich extrem leicht sind im Vergleich. Also gerade was Transport angeht. Es ist sehr viel leichter, wenn man an den Endverbraucher denkt, der die Möbel irgendwo in den dritten Stock transportieren muss. Das ist einer der großen Vorteile der Wabenplatte.
Im Vergleich zu einem Massivmöbel haben die Pappmöbel einen ausgesprochen geringen Materialverbrauch, der sich im Gewicht ganz direkt äußert, trotzdem sind sie sehr tragfähig.

Die Möbel bestehen aus keinerlei anderen Materialien. Es besteht nur aus Papier, es gibt keine Verbinder, keine metallischen -oder Kunststoffverbinder, mit denen man die Platten verbinden kann. Und auch das ist natürlich ein Vorteil, weil kein Material getrennt werden muss. Die Möbel können als Ganzes entsorgt und dem Recycling zugeführt werden.

Hinzu kommt, dass die Platten sehr stabil sind. Beispielsweise haben wir Regale für Bücher entwickelt.
Und Sie wissen selbst, wie schwer Bücher sind, das alles halten diese Wabenplatten hervorragend aus.

Wir haben Regale bei uns stehen, die seit sechs Jahren im Einsatz sind, ohne dass sie irgendeine Tragfähigkeit verloren haben.

Außerdem handelt es sich um ein Material, dass keinerlei Emissionen hat. Das heißt, es wird nichts ausgedünstet, da es kein Werkstoff ist, der eine solche Begleiterscheinung mit sich bringt.

Dadurch, dass die Möbel alle weiß oder eine natürliche Papiertonfarbe haben, wird der Nutzer zur Interaktion herausgefordert, weil er das Möbel bemalen kann. Kinder können diese ebenfalls bekleben und ihrer Fantasie freien Lauf lassen.

Dann finde ich es wichtig, dass es in Deutschland produziert wird. Man verzichtet auf lange Transportwege und hat keine Abhängigkeit von Lieferketten.

Die Möbel eignen sich zum Beispiel für diejenigen, die sich in einer bestimmten Lebensphase befinden, in der sie sich mit einfachen Dingen begnügen oder eben für studentische Wohngemeinschaften.
Es gibt ganz viele Möglichkeiten die Möbel einzusetzen, auch wenn das Möbel natürlich nicht ganz so langlebig ist wie ein Massivholzmöbel. Dafür ist es preiswerter. Und man hat natürlich die soziale Komponente im Griff, weil man weiß, wo die Pappmöbel herkommen und unter welchen Bedingungen diese hergestellt werden. Die Leute werden vernünftig bezahlt und es gibt keine Kinderarbeit. Also sicher ein Kriterium, dass auch in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird.

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